Ihr Bürgerbote - 19
Kleine Geschichten von der Ostsee von Siegfried Kümmel
Unweit einer Hansestadt lag das klare weite Wasser eines Boddens auf dem Wege ihrer Wanderung nun vor ihnen. Der weite Blick über das hoch stehende Rohr und das ferne Land gegenüber, das nahe Wäldchen und die ersten neuen Häuser auf schöner Fläche in dieser kleinen Ortschaft direkt an der Küste der schönen Ostsee waren es, die ihren Entschluss zum Ansiedeln förderten. Hier wollten sie sich niederlassen, hier wollten sie bleiben und hier wollten sie bauen. Wollten sie sich ihren Wunsch erfüllen, so mussten sie ein Grundstück auf diesem schönen Fleck der Erde erwerben. Doch nur von wem? Schon damals wurden Grundstücksflächen, auf denen eine Ansiedlung erfolgen sollte, nach der Erschließung einer beplanten Fläche, als baureifes Land gehandelt. So konnte den Suchenden sofort geholfen werden und es soll die Gemeinde gewesen sein, die ihnen genau das, das was sie suchten, sehr preiswert anbieten und verkaufen konnte, nämlich ein Baugrundstück.
Die Gemeinde soll zwar nicht direkt der Eigentümer der so schön gelegenen Flächen gewesen sein, doch sie soll damals diese voll erschlossen Grundstücke nur als Verfügungsberechtigte an Bauwillige, Parzelle um Parzelle verkauft haben. Mit heißer Feder soll sie den Verkaufspreis der erschlossenen Grundstücke kalkuliert haben. Doch das Kalkulieren von erschlossenem Bauland sollte nicht unbedingt zu einer ihrer Stärken gehört haben, denn es gab schon damals die sogenannten Verbrauchsflächen ohne Erträge, jedoch verbunden mit Kosten für zum Beispiel: bepflanzte Flächen als Ersatz für den Ausgleich der Bodenversiegelung durch Strassen und Wege, sogenannte Ausgleichsflächen und die Flächen für das öffentliche Grün. In der Branche wurden schon derartige Flächenverluste in einer Planfläche mit 35% im Schnitt veranschlagt. Wer sie vergaß oder übersah und diese nicht bei der Kalkulation berücksichtigte, der zahlte bei den Geschäften mit erschlossenen Grundstücken wahrhaftig gut drauf, wenn auch erst irgendwann, aber so doch.
Örtlich geschäftsorientierte und von der Gemeinde geförderte Immobilienmakler sollen auf einem für ihre Zwecke speziell und von der Gemeinde großzügig bereitgestellten Grundstück ruck zuck ein Musterhaus gebaut haben. Diese sollen weiteren Interessierten, also ihren neuen „Nachbarn“, mit Rat und Tat gerne für das Bauen von neuen Häusern im Ort zur Seite gestanden haben. Für ihre fachliche Hilfe und Zeit sollen sie sich, gegen gute Bezahlung von Courtagen und sonstigen Provisionen, für die Zahlenden voll und ganz eingesetzt haben.
Die Gemeinde soll sich über das gedacht gute Geschäft sehr gefreut haben. Für Bürger ein neuer Standort, für Ansiedler ein neues Zuhause. Mit den Neuen soll reges Leben auf das sonst so ruhige Fleckchen Erde gekommen sein. Die Bauarbeiten sollen für einige Zeit etwas Unruhe in diesen Teil des Ortes gebracht haben und Haus um Haus soll im Laufe der Zeit mit oder ohne Hilfe der Maklerei fertiggestellt und von den sich traumerfüllenden Eigentümern bezogen worden sein.
Alle sollen glücklich und zufrieden gewesen sein. Doch eines guten Tages soll der wahre Eigentümer der verkauften Grundstücke gekommen sein und dieser soll seine Forderungen angemeldet haben.
Da soll die Gemeinde in Kürze die von den Grundstückskäufern bis dahin erhaltenen Kaufpreise inklusiv der Zinsen sofort an den Eigentümer gezahlt haben. Dieser soll jedoch eine weitere Rechnung aufgemacht haben und für das „Vergessen von Flächen in Kalkulationen“ viel Geld verlangt haben.
Er soll von der Gemeinde und für die durch diese genutzten Grundstücksflächen, Flächen für den Ausgleich und für die Grundstücksflächen für das öffentliche Grün, eine Rechnung gestellt und auf die kurzfristig Zahlung von Grundstückskaufpreisen oder Pacht inklusiv der Zinsen für den Gebrauch von fremden Eigentum über viele Jahre bestanden haben.
Den Käufern und Ansiedlern soll das gleich gewesen sein, sie sollen ihren Kaufpreis gezahlt und mit der Sache nichts mehr zu tun gehabt haben.
Die Dorfgemeinschaft aber soll aus ihrer Gemeindekasse für die Fehler ihrer Führung den Kopf kräftig hingehalten und mit richtigem Geld die Forderungen ausgeglichen haben.
Ihr Bürgerbote – 19. Ausgabe – Entwurf --
C2010 Siegfried Kümmels kleine Geschichten von der Ostsee.
Die Orte der Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden.
Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen und Ähnlichkeiten mit real existierenden Orten sind rein zufällig".
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